Ralf Schweikart über Emphatie beim Lesen und die Rolle digitaler Medien

„Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“, hat der argentinische Bibliothekar und Schriftsteller Jorge Luis Borges einmal gesagt. Wie geht das und warum sollten wir es tun?

Ein treffender Satz. Die amerikanische Kognitions- und Literaturwissenschaftlerin Maryanne Wolf hat ihn ihrem Buch „Schnelles Lesen, langsames Lesen“ aus wissenschaftlicher Sicht viele Argumente für das Lesen gesammelt. Eines der wichtigsten ist die Ausbildung unserer Empathie, die wir durchs Lesen fördern und schulen. Eben weil wir in andere Figuren schlüpfen und mit fremden Gehirnen denken lernen, in dem wir uns in sie hineinversetzen.

Kindern Lust aufs Bücherlesen zu machen, darum dreht sich das Buch, an dem sechs Expert*innen gemeinsam gearbeitet haben. Mal ketzerisch gefragt: Warum Bücher? Ist das Digitale nicht viel zeitgemäßer?

Digitale Medien nehmen immer mehr Zeit in unserem Alltag ein, auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen. Das belegen aktuelle Studien wie die JIM, die Studie „Jugend, Information, Medien“. Weil Lesen arbeitsintensiver ist als Videos anzuschauen oder mit Freunden zu chatten. Da Lesen keine Möglichkeit der Ablenkung zulässt wie etwa einen Second Screen. Aber wenn Bücher doch eine wichtige Rolle spielen, dann analog. Kinder und Jugendliche schätzen das gedruckte, haptisch begreifbare Buch. Aber es geht uns in unserem Buch gar nicht vorrangig um oft überbewertete Systemfrage, sondern um die grundsätzliche Lust am Lesen, die wir so wichtig finden.

Mädchen lesen, Jungs eher nicht, heißt es oft. Stimmt das? Wie ist es zu erklären? Und: muss das so sein?

Ja, diese Einschätzung ist noch immer richtig, genauso wie die Einschätzung, dass das Interesse an Büchern und Lesen bildungsabhängig ist. Es gibt viele Initiativen, die diese starren Zuschreibungen aufbrechen wollen, aber das erweist sich als schwierig. Also: Es muss nicht so sein, aber es bedarf in der Regel viel persönlichen Aufwand und persönliche Begleitung, um das zu ändern. Aber es geht.

Mein Dauerbrenner-Kinderbuchtipp:
Bestimmt mehrmals lesen und auch nach ein paar Monaten oder Jahren noch lohnt „Jim Knopf und die Lukas, der Lokomotivführer“ von Michael Ende. Ich bin kein großer Ende-Fan, aber als ich gezwungenermaßen daraus vorlesen musste, hat sich meine Skepsis immer mehr in große Freude verwandelt. Denn dabei habe ich erst gemerkt, wie Ende es schafft, Sprache und Gedanken in ein Kunstwerk zu verwandeln. Das ist absolut zeitlos.

(Das komplette Interview und weitere Buchtipps befinden sich auf leseliebe.de)

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